05 – Im Aufzug/Die Leiche im Keller (Teil I)

„Alter, die Salami ist ja schon wieder teurer geworden!“, schimpft Danny, während er die Packung demonstrativ im hohen Bogen in den Einkaufswagen wirft.

In der WG ist heute ein gemeinsames Abendessen geplant. Auch Ben, der mit Danny zusammen studiert, hat sich angekündigt.

„Was nölst du denn schon wieder rum?!“, echauffiert sich Saskia, „Ich bezahle doch heute.“

Sie ist zwar derzeit mal wieder ohne Job und ist selber knapp bei Kasse, aber das hält sie oft nicht ab, spendabel zu sein. Danny regt sich gern auf, aber eigentlich hat er auch oft recht. Trotzdem kauft Saskia nicht so gern mit ihm ein, weil er immer so ein Trara macht.

 

An der Supermarktkasse herrscht heftiges Gedränge. Endlich sind die beiden am Aufzug angekommen; ein Pulk aus mies gelaunten Rentnern und spießig geschminkten Hausfrauen wartet schon und empfängt sie mit Mienen, die aussehen, als wollten sie sagen „Was, ihr wollt doch nicht etwa auch noch mit?!“

„Den ganzen Tag hat das Pack Zeit, und ausgerechnet zur Feierabendzeit mischen sie sich unter die gestressten Leute.“, denkt Danny, „machen die das mit Absicht?“

„Könnt ihr jungen Dinger nicht die Treppe nehmen?“, motzt ein gefühlt hundert Jahre alter Mann mit Bierbauch, der offenbar seit dem Zweiten Weltkrieg keinen Sex mehr hatte.

Saskia verdreht die Augen. Jetzt ist auch sie genervt. „Sag jetzt nix!“, zischt sie zu Danny. Solchen Streitereien geht sie am liebsten aus dem Weg. Das brringt nichts, meint sie.

Danny schluckt seine Wut runter. „Komm, wir nehmen einfach den nächsten Aufzug!“, zischt er gut hörbar zurück, „wenn das Volk hier schon längst unter der Erde ist!“

Böse Blicke.

„Ja, dich meine ich!“, keift er den Alten mit dem Bierbauch an. „Hast doch schon nen Zettel am Fuß!“

„Pscht!“, zupft Saskia ihn am Ärmel, während sich die Aufzugtür öffnet, „jetzt hör schon auf damit!“

„Warum?“, fragt Danny zurück, „Hast du Angst, dass diese Untoten nachts bei uns vor der Tür stehen?“

Die Aufzugtür ist zu, die Alten sind weg.

„Echt mal jetzt“, fängt Saskia wieder an, als sie die Ruftaste drückt, „musste das jetzt sein?“ Jetzt muss sie selber lachen.

Auch Danny muss nun über die ganze Situation mitlachen.

„Schon nen Zettel am Fuß…“, kichert sie, „du bist echt unmöglich!“

Da öffnet sich die Tür wieder. Weit und breit ist niemand zu sehen. Schnell schlüpfen sie in die Kabine. Danny drückt die Taste fürs Erdgeschoss, die Türe schließt, der Aufzug setzt sich sanft in Bewegung. Es riecht, wie Oma unterm Arm im Hochsommer.

„Wie das hier immer noch müffelt…“, sagt Saskia leise und rümpft die Nase.

„Wie soll es hier schon riechen?“, sagt Danny, „Halt wie Zettel am Fuß!“

 

Plötzlich tut es einen harten metallischen Schlag, ein gibt einen derben Ruck, und die Kabine steht still. Saskia und Danny starren sich an.

„Echt jetzt?“, fragt Saskia entnervt.

Danny drückt auf den Stockwerktasten herum, doch sie leuchten nicht einmal auf. Auch das Display ist ausgefallen.

Saskia zieht ihr Handy aus der Tasche. Kein Netz. War ja klar. „Hast du hier drin Empfang?“, fragt sie Danny.

Auch er zupft sein Smartphone aus der Hosentasche. „Kann ich nicht sagen“, antwortet er, „Ist ausgegangen. Akku leer. Aber drück doch mal auf Notruf!“

Saskia drückt. Aus dem Lautsprecher ist ein Telefontuten zu hören. Noch einmal, dann noch einmal… Gespannt starren Saskia und Danny auf das Lautsprechergitter, als ob gleich ein Servicemitarbeiter dort rausklettern würde. Es knackt. Dann noch einmal. Endlich ertönt eine Stimme: „Guten Tag. Zurzeit sind unsere Leitungen alle belegt. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.“ Klick, die Verbindung ist wieder weg.

„Nicht ernsthaft, oder?“, verdreht Saskia die Augen, lehnt sich mit dem Rücken an die Kabinenwand und rutscht langsam zu Boden. „Wollen wir nicht auch noch frisches Brot beim Bäcker kaufen?“, fällt ihr ein. Sie schaut aufs Handy. Es ist kurz nach fünf.

Danny hat zwischen angefangen, an die Kabinentür zu klopfen. Manchmal sind draußen Schritte zu hören, gerade hat jemand gehustet. „Kann uns jemand hören?“, ruft Danny und hämmert weiter an die Tür.

Saskia hat inzwischen noch einmal die Notruftaste gedrückt: „Guten Tag. Zurzeit sind unsere Leitungen alle belegt…“ Bla, bla. Die alte Leier. Es scheint aussichtslos.

An der gegenüberliegenden Kabinenwand rutscht nun auch Danny zu Boden. „Was machen wir denn jetzt?“, will er wissen.

Saskia drückt noch einmal auf die Notruftaste. „Guten Tag, Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an“, heißt es jetzt, „Sie erreichen uns werktags von neun bis sechzehn Uhr.“

Danny lacht verzweifelt. Saskia starrt wieder auf ihr Handy. Noch immer kein Empfang. Welch eine Überraschung.

Plötzlich ist von draußen eine Stimme zu hören. „Ist da jemand drin?“, ruft die Stimme.

 

Wenige Minuten später stehen Danny und Saskia mit einem Wachmann am Ausgang des Einkaufszentrums.

„Das ist diese Woche schon das dritte Mal“, sagt dieser, „und mit dem Notruf gibt es auch immer wieder Probleme.“ Oha, was für eine Neuigkeit.

„Na ja, danke jedenfalls fürs Rausholen!“, ruft Saskia – immer noch etwas genervt – zurück, als sie sich vom Einkaufszentrum entfernen. In der Stadt wollten sie ja noch zu einem traditionellen Bäcker. Es ist wenige Minuten vor Ladenschluss. „Wie lange waren wir da jetzt eigentlich eingesperrt?“, will sie von Danny wissen.

„Fast eine Stunde“, antwortet Danny, „Oder, ehrlich gesagt, sogar die ganze Nacht, weil Tim unsere Geschichte erst am nächsten Tag weitergeschrieben hat.“

„Du meinst, er liest das hier?“, fragt Saskia.

„Schlimmer noch“, gibt Danny zu, „er erfindet das alles gerade.“

„Irgendwie gruselig.“, meint Saskia.

Stimmt, etwas gruselig ist das schon, denke ich beim Tippen. Es wird Zeit, Saskia und Danny wieder in die Handlung zu verwickeln. Vielleicht sollten sie noch einen geöffneten Bäcker finden? Immerhin ist ja in der WG für nachher das gemeinsame Abendessen geplant.

„Schau mal“, sagt Danny, „hier ist noch geöffnet.“

Zufällig kommen die Beiden vor einer kleinen Bäckerei zum Stehen.

„Ach, Tim und seine Kunstgriffe…“, schüttelt Saskia verblüfft den Kopf, als sie eintreten.

 

„Wo wart Ihr denn so lange?“, empfängt Christine sie an der Wohnungstür. Der Tisch ist bereits gedeckt, auch Ben ist schon da und legt gerade eine CD ein. Alice in Chains beginnt zu spielen.

„Ihr erratet nie, was uns heute passiert ist!“, sagt Saskia etwas aufgeregt und legt das frische Brot auf den Esstisch.

„Ähm… – von Außerirdischen entführt?“, rätselt Sven und versucht, ein ernstes Gesicht zu behalten. Er hat mit den Anderen noch in der Küche hantiert und trocknet sich mit dem Geschirrtuch die Hände ab.

„So ähnlich“, sagt Danny, „Im Einkaufszentrum haben wir eine knappe Stunde im Aufzug festgesteckt“

„Fast eine Stunde!“, unterstreicht Saskia seine Aussage und sieht dann mit gerunzelter Stirn zu Danny: „Hä?! Wie jetzt eigentlich – ‚so ähnlich‘?“ Sie muss lachen.

 

Endlich sitzen alle am reichlich gedeckten Tisch. Es duftet nach frisch gebackenen Brot.

„Also, Ihr habt heute im Aufzug festgesteckt?“, fragt Martin, „Hattet Ihr denn keine Angst abzustürzen?“

Martin ist nicht so der große Techniker und glaubt manchmal an die abstrusesten Schauermärchen. Erst neulich hat er beim Mittagessen davon angefangen, dass geheimnisvolle Piloten so genannte Chemtrails in den Himmel sprühen, um das Klima zu manipulieren. Dass es sich vielleicht um simple Kondensstreifen handelt, die man manchmal hinter Flugzeugen sehen kann, damit wollte er sich nicht abfinden. Er hat auch schon von Reichsflugscheiben geredet. Offenbar braucht sein Weltbild immer irgendeinen Kick; mit einfachen Erklärungen findet er sich nur selten ab. Manchmal findet er in Thomas einen, der diese Gedankenwelt zumindest etwas mitspinnt, dann aber wieder für rationale Argumente zugänglich ist. Trotzdem hat Martin diesmal -aus purem Zufall oder nicht – nicht ganz unrecht. Denn gerade bei älteren Aufzugsanlagen ist ein so genannter Absturz nach oben – wenn auch äußerst unwahrscheinlich – tatlsächlich nicht ausgeschlossen. Fertig mit Googlen? Dann weiter in der Geschichte.

 

„A propos Absturz“, wirft Sven ein und lässt eine Flasche Sterni ploppen, „Den hatte ich schon lange nicht mehr. Wäre mal wieder an der Zeit.“

„Da wäre ich doch mal glatt dabei!“, erwidert Saskia, „Besonders nach der Aktion heute.“ Auch sie nimmt ein Bier. „Haben wir eigentlich auch noch Klaren?“, will sein außerdem wissen.

Maria hat das als Apell aufgenommen und kommt auch schon mit gutem, altem Nordhäuser Doppelkorn aus ihrem Zimmer.

„Das kann ja noch ein lustiger Abend werden.“, strahlt Sven, während Danny sich gleich mal ein Glas einschenkt. Ein Trinkglas.

 

Kaum ist das Abendessen vorbei, ist Sven gut dabei. „Sama, hassu vorhin was von Abschurs gesagt“, lallt er Martin an, „wie hassa… hassu sas gemeint?“

„Ich dachte ja nur“, antwortet er verblüffend nüchtern, „man hört ja so viel.“

„Nee, das ist fast auseschossen.“, wirft Danny mit schwerer Zunge ein. Er interessiert sich für Technik und ist sowas wie hauptamtlicher Nerd für Aufzüge. „Die haben doch alle so eine Fangvorsch… -vorrichtung. Da schürzt nüscht ab.“ Auch bei ihm wirkt der Alk allmählich.

„Schade, dass wir keinen Aufzug haben“, sagt die nüchtern gebliebene Maria, „Das wäre was für euch zwei Technikfreaks, was?“

„Klaro“, sagt Sven, „sen hätten wir schon ausander genommen und geguckt, wie das Ding funzoniert!“

In einigen Gründerzeithäusern werden heute ja wirklich Aufzüge nachgerüstet. Das unserer WG gehört allerdings nicht dazu.

„Wir haben hier nur eine alte Steintreppe.“, lacht Maria etwas schüchtern.

„Und einen gruseligen Keller!“, ergänzt Saskia, „Einen ziemlich großen sogar.“

„Wie groß kann der schon sein?“, wirft Ben jetzt ein, „Doch sicher nicht größer als das Haus.“

„Oh, doch…“, widerspricht Saskia, „viel größer sogar.“

Ben wird neugierig.

„Das will ich aber sehen!“, grinst er herausfordernd. Hätte er nicht sagen sollen. Schon wedelt Saskia mit dem Kellerschlüssel vor seiner Nase herum.

„Geil!“, ruft Danny, „Alle Mann in den Keller!“

Auch Sven lässt sich das nicht entgehen: „Kellerparty!“

 

Hier unten sieht erstmal alles nach einem normalen Keller aus der Zeit um 1900 aus. Die abgelatschte Steintreppe, die wahrscheinlich noch im Originalzustand ist, führt in ein Geschoss, kaum höher als eine Handbreit über dem Kopf. Die Decke ist, wie damals üblich, in Bögen gemauert und wie die Wände unverputzt. Die Backsteine haben eine dunkle Patina angesetzt und, könnten sie reden, würden sie aus zwei Weltkriegen plaudern. Der Boden besteht aus nicht sehr ebenem Stampfbeton, und vergitterte Deckenlampen hüllen die Gewölbe in dämmrig-diffuses Licht. In die Nischen sind Verschläge eingearbeitet, die mit Lattentüren verschlossen sind und allerlei Haus- und Unrat speichern. Einige Türen stehen offen, die Verschläge sind verlassen und leer.

„Das ist also der riesige Keller?“, fragt Sven.

„Ich glaube, ich war noch nie hier unten“, stellt Maria fest, „Ich hab meinen ganzen Kram oben im Zimmer, hier ist es mir einfach zu gruselig.“

Martin nickt ihr beipflichtend zu.

„Wartet’s nur ab!“, sagt Saskia. Sie deutet auf eine Eisentür am Ende des Hauptganges. Im schummrigen Licht kann man erahnen, dass sie nur angelehnt ist.

Ben wird ganz still, aber das Staunen ist ihm ins Gesicht gebrannt.

„Wo geht’s denn da hin?“, fragt Maria verblüfft, während die Gruppe langsam auf die Tür zusteuert. In der Nähe kann man einen steten, kalten Luftzug spüren. Viel kälter als die Luft draußen auf der Straße. Und sie verströmt diesen typischen Kellergeruch.

Sven gibt sich mutig. Den Nordhäuser in der einen Hand, zieht er mit der anderen vorsichtig die schwere Türe auf. Während er in der Hosentasche nach seinem Handy kramt, nimmt Danny ihm die Flasche ab. Jetzt stehen alle im fahlen Schein seines Handylichts. Sie sind mucksmäuschenstill. Etwas gruselig ist es ja schon hier.

Auch Saskia hält jetzt ihr Handy in der Hand und leuchtet den Weg. „Weiter habe ich mich bis jetzt noch nie getraut.“, teilt sie ihre Beklommenheit mit.

Wieder sagt niemand etwas. Nichts als scharrende Schritte auf dem Stampfbeton ist zu vernehmen. Und der kühle Luftzug. Vor der Meute tut sich ein leicht gekrümmter Tunnel auf. Wegen der Krümmung kann man nicht weiter sehen als ein paar Schritte voraus. Hinter ihren Handylichtkegeln in der diesig-muffig-kalten Luft wird es stockdunkel. Eine Beleuchtung gibt es nicht. In der rechten Wand ist plötzlich eine Nische zu sehen und in der Vertiefung eine weitere Eisentür. Sven drückt entschlossen die Klinke nieder. Dann ein leichtes Rütteln. Nichts, die Türe ist verschlossen.

„Zu!“, flüstert er den Anderen zu, „lasst uns mal weitergehen!“

Nach einer etwa gleich langen Strecke wieder eine Tür. Auch sie ist verschlossen.

„Kann es sein, dass wir schon unter einem ganz anderen Haus sind?“, fragt Danny neugierig.

„Du meinst, das sind Katakomben?“, fragt Maria zurück.

„Klar!“, erwidert Sven und leuchtet demonstrativ mit Handy an eine weitere Tür neben sich, „Schau doch mal die Wände an!“ Neben der Tür ist ein genickter Pfeil zu erkennen, der nach unten weist. Er ist mit weißer Farbe auf die Ziegelsteine gemalt.

„Das Zeichen für Luftschutz!“, fallt es Danny plötzlich wie Schuppen von den Augen, „Ich hab mal eine Doku über den Zweiten Weltkrieg gesehen. Bei Bombenangriffen waren das Luftschutzräume!“

Ein Schaudern zieht über seinen Rücken.

„Dann sind die Türen mit dem Pfeil also Luftschutzkeller“, stellt Sven fest, der sich über die Symbole an einigen Türen schon gewundert hat, und mutmaßt: „Und die anderen führen dann wohl in die Hausflure…“

Staunen macht sich in den Gesichtern breit. Aber es bleibt ruhig. Die Atmosphäre ist ebenso spooky wie drückend. Die Meute windet sich langsam weiter durch den nie enden wollenden Kellergang. Leises Schlürfen auf Stampfbeton, fahle Lichtkegel, die sich durch die düsteren Gemäuer tasten. Und der immer fortwährende diesig-kühle Luftzug.

 

„Weiß eigentlich irgendjemand, wo wir sind?“, fragt Saskia nach einer ganzen Weile und einige Türen weiter. Die Gruppe schiebt sich noch immer vorwärts.

Sven hat die inzwischen fast leere Flasche wieder an sich genommen und geht den Anderen tapfer voraus. „Ich habe absolut keine Ahnung.“, dreht er sich nach einem Moment des Schweigens zu Saskia um und lacht. „Ich hoffe doch, das swir noch in Erfurt sind…“

Als einer seinen Blick wieder nach vorn richtet – Schreck, lass nach! – steht plötzlich eine hagere Gestalt vor ihm und erhebt beide Hände.

Maria schreit auf, Danny hält den Atem an.

Die Gestalt stürzt auf Sven zu. Der lässt sein Handy fallen und schlägt unvermittelt zu. Als der Angreifer nicht sofort zu Boden geht, haut ihm Sven die Flasche über den Kopf. Endlich stürzt die hagere Gestalt.

Die ganze Gruppe steht wie versteinert, der Schreck sitzt ihnen in den Knochen. Danny leuchtet den am Boden liegenden Angreifer mit seinem Handy stumm an. Auch Sven hat sein Telefon aufgehoben und beäugt ihn jetzt. Die Anderen versammeln sich nach und nach. Es ist ein alter Mann. Er ist wirklich ziemlich alt und sieht irgendwie ausgehungert aus. Alle starren ihn schockiert an und bekommen kein Wort heraus.

„Wer ist das?“, bricht Maria endlich das drückende Schweigen.

„Woher soll ich das denn wissen?“, antwortet Sven. Er hat den Alten noch nie zuvor gesehen. Der Fremde könnte ein Bewohner des nahegelegenen Altenheims sein und sich verlaufen haben. Oder ein Mieter in einem der Häuser über dem Bunker. Oder einfach jemand, der ebenso neugierig war wie die Bewohner der WG. Vielleicht wollte er angreifen, wahrscheinlich hat er seine Arme auch nur vor Schreck hochgerissen. Jetzt liegt er jedenfalls regungslos auf dem Boden aus Stampfbeton, alle stehen stumm um ihn herum. Sein schütteres, graues Haar wedelt sporadisch in der kalten Zugluft. Und unter seinem Kopf bildet sich allmählich eine Blutlache.

„Scheiße!“, flucht Sven, „Was war das denn?“ Er ist schlagartig wieder nüchtern. Sein Herz pocht wie wild, sein Mund wird trockener und trockener. Er beginnt zu zittern und auf seiner Stirn versammelt sich kalter Schweiß. Leichter Tinnitus setzt ein. Auf einmal wirkt alles wie weit entfernt.

Auch Saskia steht wie versteinert da, die Hand auf den Mund gepresst, als wollte sie ihren eigenen Schrei ersticken.

Martin quetscht sich nun nach vorn und kniet sich neben den alten Mann. Er versucht erst, seinen Puls zu fühlen, dann tastet mit dem Handrücken nach seinem Atem. Immerzu schüttelt Martin langsam den Kopf. Schließlich steht er auf und atmet kurz durch. „Ich glaube, er ist tot!“, sagt er leicht panisch.

„Was machen wir denn jetzt?“, fragt Maria. Sie weint fast vor Aufregung.

Und Sven murmelt unentwegt: „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“

 

Wird sich die Sache aufklären, stürzt sie unsere WG in die Katastrophe? Was bedeutet es für uns, wenn Sven ins Gefängnis muss? Hat sich Martin mit seiner Diagnose gänzlich geirrt? Wird Danny über die überteuerte Salami hinwegkommen? In der Fortsetzung finden wir unsere Antworten.

 

(to be continued…)

 

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