04 – Im Park

 

„Wusstet Ihr, dass das Gelände mal fast dreimal so groß war?“, wirft Sven in die Runde, als die Gruppe sich am Kassenhäuschen vorbei in den ega-Park kämpft.

„Klar“, sagt Danny, „auf alten Plänen kann man ja noch erkennen, wie groß die iga mal war.“ Bei Danny heißt der ega-Park aus Prinzip noch iga, Internationale Gartenbauausstellung. Dass das einstige international bedeutsame Messegelände nach der Wende 1989 zum Familienpark zusammengeschrumpft ist, macht in sauer. Trotzdem ist er heute mitgekommen. Oder vielleicht gerade deswegen. Immerhin kann wieder mal wieder seinen Frust ablassen.

„Ist ein bisschen wie in Matrix“, merkt Martin an, „Wer die ega nicht von früher kennt, der glaubt, dass sie schon immer so war.“

„Ja, echt übel“, antwortet Danny, „Dreizehn Ausstellungshallen gab es hier mal.“

„Ihr nun wieder!“, unterbricht nun Maria die nostalgische Lehrstunde, “Ist doch trotzdem schön hier.“ Sie zeigt auf das so genannte Große Beet, das sich über einen Großteil der Anlage schlängelt: „Schaut doch mal, die schönen Blumen!“

Alle vier lenken ihren Blick stumm auf das Beet. Es sieht wirklich toll aus. Dann wandert ihr Blick unweigerlich zu einem Strauch Fleisch fressender Pflanzen. Irgendein Witzbold hat ein handgemaltes Schild mitten hineingesteckt, auf dem steht „Bitte nicht füttern!“ Kollektiv müssen alle lachen – bis auf Maria.

„Ja ja, wie witzig“, gibt sie klein bei. Dann muss sie aber doch ein bisschen schmunzeln. „Also, ich rede ja immer mit meinen Pflanzen“, sagt sie schließlich.

Sven starrt sie an: „Ernsthaft jetze?!“

Danny ist stehen geblieben und in die Torwartstellung gegangen. Er kann nicht mehr vor Lachen: „Und was erzählen sie dir so, wenn ihr eure Kaffeekränzchen macht?“

Jetzt muss auch Sven lachen.

Martin lacht kurz mit, sagt dann aber: „Da kann aber was dran sein, ich hab davon auch gehört.“

Danny muss wieder vor Lachen prusten.

„Mensch, Leute – jetzt hört aber auf…“, schlägt Sven sich demonstrativ gegen die Stirn, „Quatsch doch mal die Venusfliegenfallen hier an, vielleicht erzählen sie dir ja was.“

Und Danny fügt hinzu: „Pass aber auf, dass sie dich nicht beißen!“

Maria ist sauer: „Meine Astern wachsen jedenfalls besser, seit ich ihnen zurede.“

Martin nickt beipflichtend. Danny kriegt sich immer noch kaum ein.

Sven ist wieder ganz ernst. Er ist diese Art von Diskussionen ziemlich leid. „Ja ja“, winkt er gelangweilt ab, „ganz, wie ihr meint.“

Danny hat sich inzwischen etwas beruhigt: „Auf den Schock muss ich erst mal was essen…“

„Essen wäre jetzt echt keine schlechte Idee“, pflichtet Sven bei, und Martin merkt an: „Schaut mal, da vorn gibt’s Bratwürste!“

Maria ist immer noch eingeschnappt. Das Lachen ist ihr gründlich vergangen.

„Na, komm schon“, legt Martin seinen Arm um ihren Rücken, „nimm’s nicht so schwer!“

Dann verschwinden die Vier in Richtung Bratwurststand.

 

In der Abenddämmerung kehrt Ruhe auf dem ega-Gelände ein. Zwei Gärtner kommen auf ihrem Weg in den Feierabend an den Venusfliegenfallen vorbei und entdecken das selbst gemalte Schild.

„Den Leuten fällt aber auch immer was Neues ein“, muss der Eine lachen, als er das Schild aus der Erde zieht.

„Ja ja“, erwidert der Andere, „die Einen wollen Fleisch fressende Pflanzen füttern, die Anderen reden mit ihren Pflanzen…“

„Hör mir bloß mit den Spinnern auf. Meine Tante hat auch so eine Macke.“, sagt der Erste.

„Manche schwören aber drauf“, kontert sein Kollege.

„Ach, Quatsch“, lacht der Erste, als sie im Sonnenuntergang verschwinden.

 

„Hast du das heute Nachmittag auch mitbekommen?“, flüstert die eine Venusfliegenfalle der anderen zu.

„Dass das Mädchen mit ihren Astern redet? Na, klar!“, antwortet die andere, „Sowas Blödes habe ich ja noch nie gehört, „als ob Astern irgendein Wort verstehen könnten…“

„Genau“, merkt die erste Venusfliegenfalle an, „mit uns kann man das machen, aber mit Astern?“

„Ja, echt jetzt“, erwidert die zweite Venusfliegenfalle, „nicht mal Tulpen können sprechen. Hier, pass mal auf.“ Sie neigt sich zu einer benachbarten Tulpe: „Ey! Psst!“ Keine Reaktion. „Siehst du?“

„Ja, ich weiß“, sagt die erste, „und wenn das Mädel mir zu nahegekommen wäre, dann hätte ich ihren Finger abgebissen.“

 

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